taktlos.13 ¶¶ Editorial ¶¶¶
14. Juni 2013 20:00 | bis | 16. Juni 2013 23:30 |
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Das diesjährige Taktlos ist das dreissigste. Seit den ersten Tönen 1984 liegen drei Jahrzehnte hinter uns mit waghalsiger Musik zwischen den Genres und abseits des Mainstreams. Über tausend MusikerInnen waren bei den über 250 Konzerten beteiligt, die an 87 Tagen stattgefunden haben.~¶
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Das Taktlos im vergangenen Jahr begann am Freitag, 11. Mai, mit der Hiobsbotschaft, dass im Atelierteil des Hauptgebäudes der Roten Fabrik ein Brand ausgebrochen sei. Bei unserem Eintreffen war die Feuerwehr mit einem Grosseinsatz vor Ort. Glücklicherweise kamen keine Menschen zu Schaden, aber etliche der dort eingemieteten KünstlerInnen verloren in den Flammen Arbeiten aus vielen Jahren.~ ¶~ ~
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Bis gegen 16 Uhr war es ungewiss, ob das Festival durchgeführt werden konnte. Aktionshalle und Clubraum waren von der Feuerpolizei gesperrt. Durch die grossartige Zusammenarbeit mit den Leuten vom Ziegel oh Lac und der Betriebsgruppe der Roten Fabrik zeichnete sich aber bald eine Lösung ab: Der Ziegel wurde zur Bühne für die Freitagskonzerte. Ab Samstag konnten die Konzerte im Clubraum stattfinden. An dieser Stelle möchten wir uns nochmals bei allen Beteiligten für die Unterstützung bedanken.~ ¶~ ~
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Die Aktionshalle blieb aber noch auf Monate hinaus gesperrt. Sie kann erst seit vergangenem November wieder für Veranstaltungen genutzt werden – allerdings mit einer aus feuerpolizeilichen Gründen um ein Drittel verringerten BesucherInnen-Kapazität.~ ¶~ ~
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Nun geht es aber wieder weiter im Grenzbereich zwischen Jazz, freier und improvisierter Musik, Independent Pop, Musique concrète, zeitgenössischer Musik, Rock und aufregenden Songs. Während dreier Tage sind zwei Solisten, zwei Duos, zwei Quartette, zwei Quintette und ein Septett zu hören. Beteiligt sind einunddreissig MusikerInnen aus der Schweiz, Frankreich, Deutschland, Österreich, England, Norwegen, Australien, Japan und den USA. Der Fokus liegt dieses Jahr auf Gruppen und Solisten aus der Schweiz, Frankreich, Finnland und Österreich. Die beiden Gruppen aus den USA stehen für Black Music, Jazz, Techno und Rock.~ ¶~ ~
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Das Duo mit dem Posaunisten Roland Dahinden und der Pianistin Hildegard Kleeb aus Zug eröffnet das Festival. Für ihr aktuelles Programm haben sie sich von Jackson Pollocks Malerei inspirierenlassen. Die zwischen der Schweiz und Ghana pendelnde Joy Frempong begleitet das Taktlos mit ihrem Gesang seit 2007. Die Stationen hiessen Lauschangriff, Filewile und Phall Fatale. Nun ist sie mit ihrem eigenen Projekt zu Gast: OY! Die Saxofonistin Nicole Johänntgen lebt seit einigen Jahren in Zürich, ist im Mehrspur-Club engagiert und präsentiert auf Radio LoRa ein-mal in der Woche «Die rote Sieben». Im Januar spielte sie mit dem Trio des französischen Pianisten Rémi Panossian ein hinreissendes Konzert im Moods. Seither war die Gruppe zusammen mit dem Trompeter Frederik Köster in Deutschland und Luxemburg unterwegs.~ ¶~ ~
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Der Wiener Pianist Hannes Loeschel hat «Songs of Innocence» für das Theater konzipiert. Die Band Exit Eden ist als konzertante Form herausgewachsen. Loeschel pflegt ein unverkrampftes Verhältnis zur Tradition und giesst die Texte von William Blake in eine neue Form. Der virtuose finnische Pianist Iiro Rantala ehrt seine «Lost Heroes» mit Kompositionen in ihrem Geist. Kelvin Sholar aus Detroit hingegen zeigt sich von Jazz und Techno seiner Heimatstadt gleichermassen beflügelt. Die Butoh-Tänzerin Makiko Tominaga zeigt mögliche Verklammerungen zwischen diesen Genres.~ ¶~ ~
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Ghédalia Tazartès ist ein Bricoleur der Stimme, der mit kargen Effekten an seinem eigenwilligen Klanguniversum baut. Die Brüder Marcel und Ravi Vaid haben ein feines Gespür für filigrane Soundscapes, aber sie können es auch anständig krachen lassen. Superterz ist ein wandelbares Konstrukt für verwegene Musik. Der norwegische Trompeter Nils Petter Molvær ist erstmals als Gast mit dabei. Der Sonic-Youth-Gitarrist Lee Ranaldo preist seine aktuelle CD mit den Worten «My first rock album» an – dem ist nichts beizufügen.~ ¶~ ~
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Das Taktlos lässt auch dieses Jahr viele neue Beziehungen entstehen. Von den einunddreissig beteiligten MusikerInnen treten fünfundzwanzig erstmals im Rahmen des Taktlos auf. In früheren Jahren konnte man Lee Ranaldo (00), Joy Frempong (07/10/12), Hildegard Kleeb (08), Marcel und Ravi Vaid mit Superterz (07) begegnen. Phil Minton stand seit dem ersten Taktlos von 1984 bereits neun Mal auf der Bühne der Roten Fabrik. Dieses Jahr feiert er seinen zehnten Auftritt mit einem William-Blake-Programm. Minton singt Blake seit seinen Anfängen, zwar viel zu selten, aber immer auf umwerfende Weise.~ ¶~ ~
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Fabrikjazz versucht seit den Anfängen in den achtziger Jahren, den MusikerInnen gute Bedingungen und den BesucherInnen anspruchsvolle Konzerte zu moderaten Preisen zu bieten. Ein unabhängiges Programm ist nur dank der Unterstützung der Stadt Zürich und des Kultur-zentrums Rote Fabrik möglich. Auch dieses Jahr sind wieder Entdeckungen zu machen, Geheimnisse werden gelüftet, und für Überraschungen ist gesorgt.~ ¶~ ~
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Das «Fest des flüchtigen Augenblicks» für neugierige MusikliebhaberInnen kann also nachhallen. Den abenteuerlichen und grenzüberschreitenden Experimenten gehört die Zukunft.~¶
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Fredi Bosshard, 7. Mai 2013, Fabrikjazz Zürich~¶~ ~
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